oder: EIN PAAR GEDANKEN ZU PLOT UND FIGUREN

 

Anfang diesen Monats hat Disney eine Liste seiner Produktionen bis 2027 publiziert [1]. Die Liste künftiger Projekte ist, genauso wie die der übrigen Studios [2], sehr sequel-lastig. Neben acht Franchises aus dem Marvel Universum (X-MEN, AVENGERS, GODZILLA, MEN IN BLACK, SPIDER-MAN, KINGSMAN, STAR WARS, ANGRY BIRDS) gibt es ein Wiedersehen mit TOY STORY, FROZEN, THE LEGO MOVIE, SHAUN THE SHEEP, ZOMBIELAND und SHAFT. Sogar RAMBO kommt wieder. Der Trend zu Sequels, der Mitte der 80er Jahre begann (1974 DER PATE, 1979 ROCKY, 1980 STAR WARS – DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK) wird immer wieder darauf zurückgeführt, dass Sequels potentiell weniger riskant und lukrativer für die Studios sind. Genauso wie bei Transmedia Franchises ist hier die Rede von “eingebauten Zuschauern”, “kultureller Vertrautheit” und erfolgreichem “Branding”. [3] Sowohl die Zuschauerzahlen, als auch die Filmkritik scheinen den Entscheidern Recht zu geben.

Kürzlich bin ich über zwei Grafiken gestolpert, die der Journalist Jane Snow aus den Quellen imdb.com und boxoffice-mojo zusammengestellt hat. [4] Grafik 1 bestätigt, dass die durchschnittlichen Einnahmen an der Kinokasse bei einem Sequel deutlich höher ausfallen, als bei einem durchschnittlichen Film, der keine IP in Form eines Sequels, Reboots, Franchise oder ähnlichem recycelt.

Grafik 2 malt ein differenzierteres Bild. Es wird unterschieden zwischen dem “Repeat”-Sequel, also einem, der einen ähnlichen Plot, ähnliche Wendungen (im Fall von Komödien auch ähnlichen Witze) hat und im Grunde einfach nur die alte Kost neu aufwärmt, dann dem “Reboot”-Sequel, also dem ursprünglichen Film, der in einem neuen, zeitgemäßen Gewand daherkommt und der Saga, in der nichts recycelt wird – einzig die Figuren bleiben und deren zentralen Beziehungen. Statt zu recyclen, wird eine starke Story Line weitergeführt.

(Die rote Säule illustriert die durchschnittlichen Einnahmen des Sequels an der Kinokasse im Vergleich zum Originalfilm, die violette Säule vergleicht die Bewertung der Filmkritiker mit der Bewertung des Originals. Dabei schneiden “Repeat” und “Reboot”-Varianten des Sequels deutlich schlechter ab, als das Sequel, das Teil einer Saga ist.)

Es wird deutlich, dass Sequels zwar generell großen Umsatz generieren, dass dieser aber nicht gleichbeudetend mit Gewinn ist. (Im schwächsten Fall, dem “Repeat”, spielt das Sequel zwar 29% weniger als das Original ein, dies dürfte aber bei einem Box Office Hit immer noch eine beträchtliche Summe sein. Ob diese Art von Sequels allerdings tatsächlich noch so gewinnbringend für Studios ist, darf in Frage gestellt werden. Schließlich müssen die Sequels erst einmal das Produktions- und Marketingbudget einspielen. Und dieses liegt beim 1. Sequel im Schnitt um 25%, beim 2. Sequel und 3. Sequel immerhin um 40% höher als das des Originals. [5])

Schaut man sich hier das Abschneiden der Sagas an [6] und denkt parallel an die Erfolge der letzten Jahre von Miniserien, so drängt sich ein Verdacht auf. Vielleicht hängt der Erfolg von Sequels nichts so sehr damit zusammen, dass das Publikum sich vom Branding großer Hollywood-Produktionen einwickeln läßt und Filme aus nostalgischen Gründen sehen möchte (“Das Original war so gut, deshalb schau ich mir auch das Sequel an!”). Vielleicht hängt es schlicht damit zusammen, dass uns Figuren ans Herz wachsen, dass uns ihre zentralen Beziehungen berühren und dass wir uns da, wo diese im Originalfilm auf gelungene Art und Weise erzählt wurden, dafür interessieren, wie es mit ihnen weitergeht.

 

[1] https://www.waltdisneystudios.com/assets/disney-release-schedule-5.7.19.pdf
[2] https://www.the-numbers.com/movies/release-schedule
[3] Thorsten Hennig-Thurau, Mark B. Houston and Torsten Heitjans, ‘Conceptualizing and Measuring the Monetary Value of Brand Extensions: The Case of Motion Pictures’, Journal of Marketing 73 (November 2009), pp. 167–83.
[4] https://www.linkedin.com/pulse/why-hollywood-makes-more-sequels-every-year-even-though-shane-snow
[5] Manche von ihnen sind sogar noch erfolgreicher, als das Original, zum Beispiel „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs” oder “Star Wars VII”.
[6]„Are film sequels profitable?“ https://public.tableau.com/profile/daniel.hom#!/vizhome/movies_sequels/AreFilmSequelsProfitable

© 2019   Nicole Mosleh